ALKU

Ein Brief (Barcelona)
Beim Konzert von Lorenzo Senni im römischen Ex-Dogana stand uns der Laser bis zum Hals. Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass ich halb zufällig, halb absichtlich (Todestrieb!) erblinden werde. Daran musste ich denken, als ich gehört habe, dass ALKU eine Ausstellung im Hamburger Westwerk kuratieren wird. ANNA RAMOS und ROC JIMÉNEZ DE CISNEROS, beide in den 1970ern geboren und in Barcelona lebend, betreiben ebendort seit Ende der 1990er Jahre das vermutlich nach dem finnischen Wort für „Anfang“ benannte Künstler-Kollektiv. ALKU ist aber auch eine Plattform für Tonträger, Publikationen und audiovisuelle Installationen. Ihre Wurzeln gehen in viele Richtungen und haben sich – ihren Prämissen von kollektiver Arbeit folgend – sowohl im Pop als auch in akademischen Zusammenhängen ausgebreitet. Der eingangs erwähnte italienische Multimedia-Künstler Senni hat für sie 2014 ein Tape mit minimalistischen Aktualisierungen von Trance-Klassikern der 1990er Jahre aufgenommen. Dieses Release ist exemplarisch für ALKUs konzeptuelles Spiel mit dem Tonträger (Neben Kompaktkassetten erscheinen die Veröffentlichungen auf Vinyl, CD und als Download), der grafischen Oberfläche (Das Design der analogen wie auch digitalen Produkte folgt einer strengen Farb- und Schrift-Ästhetik) und dem kulturellen Erbe der Musikgeschichte (Was sich auf’s Vorzüglichste bei Jiménez de Cisneros’ kollaborativen Projekt EVOL und seinen eigenen Recherchen in den Abgründen der elektronischen Tanzmusik zeigt). Neben den Tonträgern werden auch theoretische Publikationen veröffentlicht, die sicherlich aus Anna Ramos’ Arbeit als Direktorin des Radio-Projekts am Museum für zeitgenössische Kunst Barcelona schöpfen. Dieses Projekt, Ràdio Web MACBA (auch RWM genannt), ist im internationalen Vergleich einmalig: Ein Radio jenseits des Radios, das sich entlang der Schnittstellen von kritischem Denken, zeitgenössischer Kunst, künstlerischer Forschung, Aktivismus und purem Sound bewegt. Beim Hören der Sendungen und Lesen der Texte und endlosen Listen von hochkarätigen Gästen wird einem ganz schwindelig und ich freue mich, dass ALKU drei KünstlerInnen eingeladen hat, die entweder Teil der dortigen Radio Working Group sind oder zumindest schon mal einen detailverliebten Podcast für diesen besonderen Sender abgeliefert haben. Ersteres trifft auf die auch in Barcelona lebenden ANNA IRINA RUSSELL und ALBERT TARRATS zu. Letzteres auf die Österreicherin RENI HOFMÜLLER. Alle drei wurden entweder wegen oder für eine Arbeit zum oder über den Terminus „Falten” eingeladen. Für Ramos und Jiménez de Cisneros ist dieses Falten eine der gegenwärtigsten Techniken um Komplexitätsreduktionen zu reflektieren: „Jedes Mal, wenn wir uns das Unmögliche vorstellen ... biegen, krümmen und beugen wir das, was wir für möglich halten. Jedes Mal, wenn wir unsere Vorstellung von der Realität modifizieren, führen wir eine Faltoperation an ihr durch“.

Anna Irina Russell arbeitet mit der kulturellen Bedeutung des Spiels und versucht über Interaktionen den Betrachter einzubinden und somit soziale Konstruktionen zu dechiffrieren. Ausgehend von den Prämissen des kuratorischen Teams hat sie eine Installation entworfen, die die Aufzeichnungen einer an der Außenseite des Westwerks angebrachten Überwachungskamera im Innenraum modifiziert.

Albert Tarrats ändert mit seinen Installationen die Hörgewohnheiten und die Wahrnehmung von Raum. Für die Ausstellung hat er unter anderem ein faltbares Soundobjekt entwickelt.

Reni Hofmüller ist schon seit vielen Jahrzehnten Radio-Aktivistin und zeigt eine mobile aber trotzdem räumlich ausufernde Antenne, deren Sender und Empfänger der Form ihrer Handlinien nachempfunden sind.

Auch Roc Jiménez de Cisneros wird eine Arbeit beisteuern. Für Papiripar hat er eine Serie von Cheeto-Chips ähnelnden Skulpturen entworfen. Er wird auch eine neue Version seiner Laserinstallationen zeigen, in der Klangüberlagerungen hypnotische Muster erzeugen. Schreib bitte schnell zurück und falte dich am besten mit in den Umschlag, damit wir uns vor Ort ein weiteres Mal gemeinsam derangiert fühlen können. Wie damals in Rom.

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